Gastartikel von BrainBook
In ihren ersten Lebensmonaten und -jahren machen Kinder eine rasante Entwicklung durch. Gleichermaßen faszinierend wie wichtig ist dabei die Entfaltung der Sprachfähigkeit. Während Erwachsene mühsam Vokalen und Grammatikregeln pauken, lernen Kinder ihre Muttersprache nebenbei im „Sprachbad“. Wie läuft der Spracherwerb von der Geburt bis zur Einschulung ab? Wie können Eltern und andere Bezugspersonen Kinder dabei unterstützen? Mit diesen Fragen beschäftigt sich der folgende Artikel.
Sprachentwicklung bei Babys und Kleinkindern
Schon im Mutterleib erhält das Baby ersten sprachlichen Input. Im Alter von vier bis acht Wochen beginnt es schließlich in der sogenannten ersten Lallphase, selbst Laute zu produzieren. Zunächst formt es überwiegend Vokale und Schreilaute, zum Beispiel a-a-a. Einen Monat später werden diese mit Konsonanten verknüpft. Nach dem dritten Monat schreit der Säugling weniger und plaudert stattdessen zunehmend vor sich hin. In den ersten fünf Lebensmonaten sind die Laute noch unabhängig von der Muttersprache.
Dies ändert sich erst in der anschließenden zweiten Lallphase. Dabei wiederholt das Baby zu Beginn einfache Silben wie babababa. Im zehnten Lebensmonat werden die Äußerungen komplexer, zum Beispiel mamumumume. Damit trainiert das Kind für seine ersten Wörter, die es um seinen ersten Geburtstag herum auszusprechen beginnt.
Prototypisch zählen Mama und Papa zu den ersten Wörtern. Beide erhalten die Konsonanten, die das Baby in der zweiten Lallphase eingeübt hat, sowie den Zentralvokal a, den Kleinkinder als erstes verwenden. Zunächst haben die Wörter noch keine Bedeutung. Diese wird dem Kind erst mit der Zeit bewusst.
Mit einem Jahr beherrscht das Kind zirka zwei bis zehn Wörter, darunter auch kindersprachliche wie Wauwau. Es kennt die Personen und Gegenstände seiner täglichen Umgebung und versteht einfache Aufforderungen, zum Beispiel „Zeige mir die Kuh im Bilderbuch!“ Mit etwa eineinhalb Jahren kommt es zum „Wortschatzspurt“. Das Kleinkind entdeckt, dass alle Dinge in seiner Umgebung einen Namen haben und lernt schnell neue Wörter kennen. Zudem nutzt es seinen eigenen Vornamen.
Um seinen zweiten Geburtstag herum kann das Kind zwanzig bis fünfzig Wörter sprechen. Aus den bisher geäußerten Einwortsätzen werden immer häufiger solche mit zwei oder drei Wörtern. Das Kleinkind fängt an, Verben und Adjektive zu nutzen und Fragen zu stellen. Außerdem versteht es inzwischen komplexere Sätze, zum Beispiel „Wenn du die Hände gewaschen hast, gebe ich dir einen Schokoladenriegel“.
Mit zweieinhalb Jahren nimmt sich das Kind als eigenständige Person wahr und verwendet die Ich-Form. Ein halbes Jahr später kommen W-Fragen und Nebensätze hinzu. Zudem versteht das Kind einfache Geschichten und lernt komplizierte Laute (etwa den ach-Laut).
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Rund um den vierten Geburtstag drückt das Kind räumliche Verhältnisse (zum Beispiel durch auf, neben, über …), Vergangenheit und Zukunft aus. Es beherrscht seine alltägliche Umgangssprache und versteht Fragen, macht aber noch Fehler. Bis zum fünften Geburtstag bezieht es sich immer häufiger auf die Äußerungen von Erwachsenen und kann an Gesprächen in einer Gruppe teilnehmen. Außerdem verwendet es inzwischen den korrekten Satzbau bei Fragen.
Das Erlernen von Bedeutungen ist ein lebenslanger Prozess und damit der schwierigste Bereich des Spracherwerbs. Das Kind versteht in jeder Entwicklungsstufe mehr Wörter als es aktiv verwenden kann. Mit sechs Jahren sind es rund 23.000 bekannte Wortformen gegenüber 5.000 selbst geäußerten. Damit kann es Alltagssprache gut verstehen und sich in vollständigen, grammatikalisch richtigen Sätzen ausdrücken.
Sprachförderung im Alltag
Eltern passen ihre Sprache in der Regel intuitiv an den Entwicklungsstand ihres Kindes an. Wichtig für die Sprachförderung ist es, dem Kind ungeteilte Aufmerksamkeit zukommen zu lassen und seinen Äußerungen Beachtung zu schenken. Hilfreich ist außerdem (gemeinsames) Singen. Bezugspersonen sollten Gegenstände benennen, für die sich das Kind interessiert und ihre Handlungen kommentieren („Jetzt nehmen wir das Mehl“). Fehler sollten nicht explizit angesprochen, sondern durch Wiederholung unauffällig korrigiert werden, damit das Kind keine Angst vor Fehlern entwickelt (Kind: „Ich bin geschwimmt, Mama!“, Mutter: „Das ist ja prima. Du bist geschwommen.“).
Schon im ersten Lebensjahr lieben Kinder es, Bilderbücher anzuschauen. Bezugspersonen sollten die Abbildungen sprachlich kommentieren. Ab dem dritten Lebensjahr kann das Kind Fragen zur Geschichte beantworten. Ein und dasselbe Buch sollte mehrfach vorgelesen werden, denn die Wiederholung hilft dem Kind, die verwendete Sprache zu verinnerlichen. Das gilt auch für immer wiederkehrende Handlungen, zum Beispiel Anziehen, die von entsprechenden sprachlichen Äußerungen begleitet sein sollten.
Erlebnisse wie ein Besuch im Zoo, gemeinsames Backen oder eine Wanderung erweitern den Horizont des Kindes. Daraus ergibt sich ganz von selbst das Bedürfnis, anderen von dem Erlebten zu berichten und dadurch Sprache anzuwenden.
Weiterführendes Buch: „Sprachförderung für Kinder leicht gemacht“
Die alltägliche Sprachförderung kann durch gezielte Übungen ergänzt werden, um einzelne Sprachbereiche wie Wortschatz, Mundmotorik, Hören, Aussprache und Grammatik zu fördern. Clevere Anregungen und Übungen bietet das Buch „Sprachförderung für Kinder leicht gemacht“ von der Sprachheillehrerin Sarah Skowronek-Gänge ( https://amzn.to/47yn136). Außerdem enthält es fundierte Informationen über den Spracherwerb von Kindern und weitere Möglichkeiten zur Sprachförderung im Alltag.
- Skowronek-Gänge, Sarah (Autor)
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